Im Mai 2022 erkundete erstmals ein Bläser – der litauische Saxophonist Liudas Mockūnas – die außergewöhnliche Akustik des Mausoleums im Tierpark Dessau. Er selbst war vom überwältigenden Klang des 43 Meter hohen Kuppelbaus ebenso fasziniert wie das Publikum. Nun haben wir drei weitere internationale Virtuosen der Blasinstrumente eingeladen, diesen wunderbaren Konzertort zu bespielen. Unser Dank gebührt vor allem Tierparkdirektor Jan Bauer, der uns immer wieder zu weiteren Aktivitäten im Mausoleum ermutigt! Neben dem Konzert mit Jeff Arnal und Dietrich Eichmann und Christine Nagels Vokalthetaer HIERGEWESEN hieß es daher 2023 mit Hayden Chisholm, Johannes Schwarz und Chris Heenan drei Mal:
BLOW THE MAUSOLEUM
I. Hayden Chisholm – Saxophon
Samstag 20. Mai 2023 um 20:30 Uhr

Der Neuseeländer Hayden Chisholm ist Saxophonist und Komponist, der als junger Musiker nach Deutschland kam und mithilfe eines DAAD Stipendiums an der Kölner Musikhochschule studierte. Weitere Stipendien ermöglichten ihm privaten Unterricht in Japan und Indien. 1995 entwickelte er ein neues mikrotonales System für Saxophon, welches er auf seiner Debüt Solo CD „Circe“ vorstellte. Seine Kompositionen wurden von BBC und WDR produziert. Als Solist und mit Gruppen wie Root70 und David Sylvian führten ihn Konzerttourneen auf alle Kontinente. Er gab an mehreren Universitäten Meisterkurse und hält einen jährlichen Meisterkurs in Griechenland. Hayden Chisholm komponierte Musik für mehrere Installationen und Filme der deutschen Künstlerin Rebecca Horn. Er ist künstlerischer Leiter des Plushmusic Festivals in Köln und war 2008 stellvertretender Direktor der Salzburger Festspiele. 2013 veröffentlichte er seine 13CD Box Set „13 Views of the Heart’s Cargo“ und wurde mit dem „SWR Jazz Preis“ ausgezeichnet. 2015 war er „Improvisor in Residence“ des Moers Festivals. 2016 veröffentlichte er seine zweite 13CD Box „Cups of Oblivion“ und stellte seinen ersten Kurzfilm „Sisyphus Runs“ vor.
Auf Einladung der NEUEN MUSIK IM FLÄMING entwickelt Hayden Chisholm speziell für das Mausoleum ein neues Programm!
www.haydenchisholm.net – www.softspeakers.com – www.sisyphusruns.com
II. Johannes Schwarz – Fagott
Samstag 1. Juli 2023 um 21 Uhr
Luciano Berio – Sequenza XII für Fagott solo (Bearbeitung: Johannes Schwarz) Dietrich Eichmann – Spazi persistenti per fagotto solo in una stanze dall’acustica potente (Uraufführung)
Sonntag 2. Juli 2023 um 18 Uhr
Dietrich Eichmann – Spazi persistenti (Version 2) Dietrich Eichmann / Johannes Schwarz – Mauso Blow & Bow (Uraufführung) – mit D.Eichmann – Klavier
Sequenza XII ist insofern eine Art ‚Meditation‘, weil das Fagott vielleicht mehr als jedes andere Blasinstrument, gerade in den extremen Spielbereichen sowohl kontrastierende Persönlichkeit, unterschiedliche Morphologien und Ausdrucksmöglichkeiten, als auch unterschiedlichen Charakter im Timbre und in der Dynamik besitzt. Sequenza XII ist von kreisförmiger Struktur: das Werk durchläuft immer wieder die Intervalle zwischen den extremen Tonlagen in unterschiedlichen und oft extremen Tempi (sehr langsam oder sehr schnell) und ist durch wiederkehrende Figuren charakterisiert, die auf die Folge der verschiedenen Tonlagenbereiche hinwiesen. Die häufige Wandlung des vorwiegend idiomatischen Erscheinungsbildes des Instrumentes wird stets anhand einer kalkulierten Anzahl von Artikulationsprozessen erreicht, die ein organischer Teil des musikalischen Geschehens sind (ich mache keinen Gebrauch von multiphonics). Zum Beispiel ruft der rasche Wechsel von entfernten Lagen (echte Tremoli) manchmal ein neues und komplexes Klangbild hervor, das sich aus der Verschmelzung aller wirksamen akustischen und harmonischen Merkmale jenes Momentes ergibt. Luciano Berio
Johannes Schwarz bearbeitet Berios Sequenza XII speziell für das Konzert im Mausoleum und dessen Akustik.
Dietrich Eichmann hat bereits zwei Werke für Fagott und Live-Elektronik komponiert, Study No. 393 und Study No. 539, beide Johannes Schwarz zugeeignet, und wird Material aus diesen Kompositionen – unter Verzicht auf Elektronik – für das Mausoleum zu einem neuen Erlebnis umarbeiten.
Am Sonntag stellen wir zusätzlich ein Klavier ins Mausoleum, denn Johannes und Dietrich haben auch gemeinsam etwas ausgeheckt.

Johannes Schwarz arbeitet seit 2003 als Solofagottist im Ensemble Modern mit den aktuell innovativen Komponist:innen und Künstler:innen zusammen und ist als Solist und Kammermusiker in über 30 CD Produktionen zu hören, mit denen er ein extrem weites künstlerisches Spektrum mit Fagott abdeckt: zeitgenössische Solo- und Ensemble-Werke, klassische und barocke Musik auf Originalinstrumenten bis hin zu Aufnahmen im Heavy-Metal-Bereich, freie Improvisationen und eigens für ihn entwickelte Werke mit Einsatz von Live-Elektronik. Bei Soloabenden mit Elektronik und solistischen Musiktheaterproduktionen führt er gerne diese Bereiche wieder zusammen. Seine Musikperformance „UNA SOLO“ mit dem Dramaturgen-Duo Glogowski/Hoesch wurde 2018/19 mehrfach erfolgreich auf Festivals präsentiert (Förderung des Landes Hessen). Er ist ein gefragter Gast in namhaften deutschen Orchestern (WDR, HR, BR), Big Bands (WDR, HR, Wien), Kammermusikformationen und freien Improvisationsensembles. Seine neuesten CD-Produktionen „soundspaces“ (2020) und „kurzes leben 1.0“ erschienen bei Orlando Records und kamen u.a. für den Deutschen Schallplattenpreis in die nähere Auswahl. Von 2013 bis 2018 war er künstlerischer Leiter des Masterstudiengangs IEMA (Internationale Ensemble Modern Akademie) in Frankfurt. Für das Festival Klangspuren organisiert er von 2009-2021 den internationalen Kammermusikkurs für zeitgenössische Musik in Zusammenarbeit mit internationalen „composers in residence“ (George Benjamin, Unsuk Chin, Wolfgang Rihm, Beat Furrer, Heinz Holliger, Hans Zender, Sofia Gubaidulina, Rebecca Saunders, Enno Poppe). Zur Zeit ist er als Lehrbeauftragter für neue Kammermusik und Fagott an den Musikhochschulen Frankfurt und Stuttgart tätig. Sein langjähriges Projekt „digitales Fagott-Klangarchiv www.soundlibrary.online“ wurde 2018 von der Aventis-Foundation „experimente#digital“ gefördert, und stellt mittlerweile die umfangreichste Sammlung eingespielter Fagottklänge dar. Zahlreiche Komponist:innen nutzen mittlerweile diese Plattform, um neue Stücke zu kreieren, die er u.a. auch auf seiner 2022 erschienene CD „kurzes leben 1.0“ vorstellt. Johannes Schwarz lebt mit seiner Familie in Frankfurt und spielt sonst auch mal die Tuba im Dorfmusikverein.
www.johannes-schwarz.com – www.soundlibrary.online – www.johannes-schwarz.bandcamp.com
III. FLAMINGO
Chris Heenan – Kontrabassklarinette, Adam Pultz Melbye – Kontrabass, Christian Windfeld – Percussion
Samstag 23. September 2023 um 21 Uhr

Flamingo sind die Klangkünstler Chris Heenan, Adam Pultz Melbye und Christian Windfeld. Das Trio erforscht Klang, Textur und Dynamik im Kontext einer hoch stilisierten Klangästhetik. Seit 2015 hat Flamingo eine disziplinierte Herangehensweise an die Gruppenperformance entwickelt, deren Ergebnis eindringliche und fesselnde Klanglandschaften sind. Flamingo ist auf Festivals und an Veranstaltungsorten in ganz Europa und den USA aufgetreten und hat drei Alben bei den Labels Barefoot Records, Lydhør und Relative Pitch veröffentlicht.
Der faszinierende Kuppelbau des Mausoleums im Tierpark Dessau bietet FLAMINGO überraschende Möglichkeiten, die kleinsten Details ihres musikalischen Spektrums auszuloten und zu einem unvergesslichen Klangergebnis zu gestalten.
Chris Heenan lebt in Berlin und ist ein aktiver Komponist/Performer und Organisator experimenteller Musik. Er spielt Sopranino-, Sopran-, Alt- und Tenorsaxophon, Bassklarinette, Kontrabassklarinette und analoge Synthesizer in Kontexten, die von Solo bis zu großen Gruppen reichen, und in verschiedenen laufenden Projekten. Heenan verwendet diese Instrumente, um neue musikalische Formen, Geräusche und Improvisationen zu erforschen, sowohl in seiner Soloarbeit als auch in Zusammenarbeit mit Komponisten und Performern wie Musikern, Tänzern und bildenden Künstlern. Er hat eine bemerkenswerte Solostimme auf seinen Blasinstrumenten entwickelt, vor allem auf der Kontrabassklarinette, wo er erweiterte Techniken einsetzt und oft mit überraschenden Ergebnissen Multiphonics einbaut, um die dem Instrument innewohnenden Feinheiten zu enthüllen. Eine Auswahl von Heenans aktuellen Musik-Klang-Projekten umfasst Flamingo (mit Adam Pultz Melbye und Christian Windfeld), PIVOT (mit Liz Allbee), TRIGGER (mit Matthias Müller und Nils Ostendorf), Half Cloud, Half Plain (mit Michael Vorfeld) und die Feedback-Installation Ouroboros (mit Melbye und Michael Vorfeld). Außerdem ist er Mitglied des Berliner Splitter Orchesters. Heenan tritt regelmäßig in den USA und Europa auf, u.a. beim Stuttgarter Saxofonfestival, Projektgruppe Neue Musik Festival, Bremen, Experimental Intermedia, New York, Klub Katarak, Hamburg, Sonic Acts XIV, Amsterdam, Metéo Festival, Frankreich, Blurred Edges, Hamburg, Kaleidophon, Österreich, SWR Art’s Birthday, Freiburg und an Veranstaltungsorten wie Artist Space, New York, Radial System, Berlin, Radio Bremen, The Renaissance Society, Chicago, IL, und The Santa Monica Museum of Art. Heenan war auch als Kurator von Musikveranstaltungen und Konzerten tätig. Im Jahr 2004 gründete er Reify, ein Plattenlabel, das sich auf die Dokumentation experimenteller und improvisierter Musik spezialisiert hat. Außerdem war er Mitbegründer von line space line (2002-2004), einer Reihe für neue und improvisierte Musik in Los Angeles, die über 120 Konzerte und zwei jährliche Festivals veranstaltete. Von 2009 bis 2015 war Heenan Kurator und Organisator von Certain Sundays, einem von ihm mitbegründeten experimentellen Musik- und Klangsalon in Berlin. Derzeit ist er Mitglied von WieMusik e.V. und programmiert Konzerte im Berliner Performance-Raum Sowieso. Heenan erhielt Stipendien von Institutionen wie American Composers Forum, Arts International, The Durfee Foundation, Kulturamt Neukölln, Initiative Neue Musik Berlin e. V., Deutscher Musikrat, Hauptstadtkulturfonds, Musikfonds e.V., Akademie der Künste und Innovationsfonds Kunst Baden-Württemberg. Er erhielt seinen MFA von der Milton Avery Graduate School of the Arts am Bard College im Jahr 2004 und war Fellow-in-Residence an der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart (2004-2006). https://www.chrisheenan.com
Adam Pultz Melbye ist Kontrabassist, Komponist und Improvisator und arbeitet im Bereich des akustischen und elektronischen Klangs. Adams Arbeit umfasst Live-Performance, Klanginstallation, Sound für Tanz, Theater, Film, Multimedia, Skulptur, algorithmisches Design und Instrumentenbau. Sie sind in Europa, Australien, den USA und Japan aufgetreten und ausgestellt worden und haben auf fast 50 Alben mitgewirkt. Adam tritt häufig mit halbautonomen Feedback-Systemen auf, wie dem FAAB (Feedback-Actuated Augmented Bass), einem Feedback-Kontrabass, der in Zusammenarbeit mit Halldòr Ùlfarsson entwickelt wurde. Adam hat einen praxisorientierten Doktortitel in Musiktechnologie von SARC, Queen’s University Belfast, und ist Autor von begutachteten Zeitschriftenartikeln und Konferenzbeiträgen. Er war Gastherausgeber einer Sonderausgabe von Feedback Practices für die Zeitschrift ECHO am Orpheus-Institut in Gent, Belgien. https://www.adampultz.com
Christian Windfeld ist ein dänischer Improvisator, Komponist, Perkussionist und ausgebildeter Solist an der Königlichen Musikakademie in Aarhus, Dänemark. Seit seinem 19. Lebensjahr hat er eine internationale Karriere mit Tourneen in ganz Europa, Nordamerika und Australien aufgebaut und in Stockholm, New York und Berlin gelebt. Windfeld verfolgt einen minimalistischen, aber höchst ausdrucksstarken Ansatz für perkussive Instrumente, wobei er sich oft auf ein einziges Instrument, z. B. die Kleine Trommel, konzentriert, um deren volles Potenzial zu erforschen und die allgemeine Wahrnehmung ihrer Möglichkeiten zu übertreffen. Als Komponist hat er Stücke und Installationen für Kunstausstellungen und medienübergreifende Veröffentlichungen mit Schriftstellern und bildenden Künstlern geschaffen. Windfeld ist auf mehr als 30 Tonträgern zu hören und hat bisher zwei Soloalben unter dem Pseudonym FØRSTEPERSONENTAL (FIRSTPERSONSINGULAR) aufgenommen, von denen das erste im Jahr 2014 und das zweite, ROTUNDA, im Herbst 2016 veröffentlicht wurde. Er hat eine Reihe von Auszeichnungen und Stipendien erhalten, insbesondere das prestigeträchtige „Young Elite“-Stipendium, das ihm 2015 vom Danish Arts Council verliehen wurde. http://christianwindfeld.com
Die Konzertreihe „Neue Musik im Fläming 2023“ wird gefördert von: