Die sehr eigenständige Musiksprache des Karlsruher Komponisten Uwe Kremp speist sich aus der genauen Kenntnis der abendländischen Musiktradition seit dem Barock und seiner Liebe zur Literatur.
Im SIMONETTI HAUS Coswig (Anhalt) präsentieren wir am 8. und 9. September 2023
SEHNSUCHTSIKONE Portrait UWE KREMP
Freitag, 8. September um 19:30 Uhr
Blumen-, Frucht- und Dornenstücke
Uraufführung des gesamten Zyklus‘ für Saxophonquartett
Ensemble Quattro Quarti, Tallinn: Eve Neumann (Sopransax), Jandra Puusepp (Altsax), Valdur Neumann (Tenorsax), Liis Mäevälja (Baritonsax) Uwe Kremp (Moderation)
Samstag, 9. September um 16 Uhr
– Auftakt zur Coswiger Lesenacht
Kurze Schnitte / Mehrere Männer
Eine literarisch-musikalische Soirée mit Texten von Ror Wolf & Musik von Uwe Kremp
Gitarrenduo Roman Hernitschek & Kristjan Tamm
Uwe Kremp (Rezitation)
„Blumen-, Frucht- und Dornenstücke“ oder Aus Alt mach Neu!
Gesprächskonzert mit Texten & Musik von Uwe Kremp am Freitag, den 8. September um 19:30 Uhr im Simonetti Haus
Im Zentrum dieses Gesprächskonzerts steht die Uraufführung der zwölf Studien für Saxophonquartett von Uwe Kremp, die 2019 komponiert wurden und im gleichen Jahr beim Verlag Chili Notes in Frankfurt erschienen sind. Zwischen den einzelnen Stücken spricht der Komponist über das spannungsreiche Verhältnis von „alter“ und „neuer“ Musik im Allgemeinen und über das Phänomen des musikalischen Recyclings im Besonderen.
Der Titel Blumen-, Frucht- und Dornenstücke, der einem Roman von Jean Paul entlehnt wurde, verweist auf eine gleichsam barocke Buntheit der zwölf Stücke in stilistischer und charakterlicher Hinsicht, wie sie auch die großen Romane dieses Schriftstellers auszeichnet, der für etliche Komponisten eine inspirierende Lektüre war und auch heute noch ist.
Sowohl in musikalischer als auch in technischer Hinsicht werden in den einzelnen Stücken ganz unterschiedliche Aspekte des Quartettspiels thematisiert, so dass diese Studien im Prinzip in beliebiger Auswahl und Reihenfolge aufgeführt werden könnten. Eine Gesamtaufführung aller zwölf Stücke offenbart dann allerdings auch einen dramaturgisch sinnvollen zyklischen Zusammenhang. Das Wohltemperierte Klavier von Johann Sebastian Bach, in dem sich pädagogische mit künstlerischen Anliegen in glücklicher Weise verbinden und das sowohl als Sammlung von Einzelstücken wie auch als Zyklus funktioniert, scheint hier von Ferne als Vorbild durch.
Kurze Schnitte / Mehrere Männer
Eine literarisch-musikalische Soirée mit Texten von Ror Wolf & Musik von Uwe Kremp am Samstag, den 9. September um 16 Uhr im Simonetti Haus, Auftakt zur Coswiger Lesenacht
Die Lesung einer Auswahl aus den 82 ziemlich kurzen Geschichten, die der Schriftsteller Ror Wolf 1987 in seinem Buch Mehrere Männer veröffentlicht hat, wird in diesem Programm konfrontiert mit einer vollständigen Aufführung aller 41 Stücke für zwei Gitarristen des Komponisten Uwe Kremp, die in den Jahren 1999 bis 2001 entstanden sind und unter dem Titel Kurze Schnitte beim Festival Eclat 2001 in Stuttgart uraufgeführt wurden.
Was Ror Wolfs Herumtreiber erleben und weitersagen, beginnt meist ganz harmlos, die Fortsetzung wäre leicht zu erraten, käme sie nicht anders, als wir zu erwarten gewohnt sind. Plötzlich stockt der Atem der erklärbaren Welt und was trotzdem erzählt wird, ist meist ebenso haarsträubend wie absurd. Die handelnden Personen sind allesamt Männer. Die Namen lauten Neumann, Baumann und Lehmann oder auch Scheizhofer, Hottwanger und Blend – wenn Namen überhaupt erwähnt werden, denn in den allermeisten Fällen bleiben diese Männer anonym. Gut gelaunt verirren sie sich, tauchen kurz wieder auf, taumeln und verschwinden wortlos auf rätselhafte Weise: immer ist die handelsübliche Wirklichkeit nur eine unbedeutende Nachahmung dessen, was sich erzählen lässt.
Die kurzen bis sehr kurzen Gitarrenstücke von Uwe Kremp changieren ebenfalls recht unbekümmert zwischen erhabenem Ernst und absurder Komik. Wie Ror Wolfs Männergeschichten brechen sie meist ab, bevor sie richtig begonnen haben. Was mit dem jeweiligen Schlusspunkt einsetzt, ist das Weiterdenken in den Köpfen der Hörer, die an diesem Abend mitgenommen werden auf eine ebenso vergnügliche wie riskante Reise ins abenteuerliche Land der Phantasie.
Text und Musik verbindet in diesem Programm neben der fragmentarischen Offenheit die Konzentration auf zwei elementare Grundfragen formaler Gestaltung, die sowohl Schriftsteller als auch Komponisten immer wieder neu herausfordern: Wie fange ich an? Wie höre ich auf? Auch der Hörer wird hierdurch herausgefordert und muss sich seinen eigenen Reim machen auf die Frage nach Sinn und Unsinn sowohl des Ganzen als auch der Details. Die Reihung von solch vielen kurzen Bruchstücken setzt beim Publikum paradoxerweise einen langen Atem voraus. Nur mit ein wenig Geduld sind die ganz allmählich sich entwickelnden motivischen Zusammenhänge zu entdecken, zumal diese hier nicht plakativ ausgestellt, sondern eher behutsam angedeutet werden.
Uwe Kremp, Jahrgang 1964, studierte an der Hochschule für Musik in Karlsruhe zunächst Gitarre bei Wilhelm Bruck, dann Komposition/Musiktheorie bei Mathias Spahlinger und Wolfgang Rihm. Er erhielt verschiedene Stipendien (Darmstädter Ferienkurse, Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR, Graduiertenförderung des Landes Baden-Württemberg, Herrenhaus Edenkoben) und war unter anderem Preisträger beim Kompositionswettbewerb der Landeshauptstadt Stuttgart und beim Günter-Bialas-Wettbewerb für Neue Kammermusik in München. Er unterrichtet Musiktheorie an den Musikhochschulen in Karlsruhe und Trossingen und war außerdem Lehrbeauftragter am Institut für Musikwissenschaft der Universität Karlsruhe. Darüber hinaus ist er freischaffend tätig als Komponist, Gitarrist und Pädagoge. 2015 wurde ihm von der Karlsruher Musikhochschule der Titel eines Honorarprofessors verliehen. Von 1985 bis heute entstanden über 50 Kompositionen für unterschiedlichste Besetzungen vom Tonbandstück bis zum Orchester mit einem Schwerpunkt auf individuell besetzten Solistenensembles. Seit 1987 Aufführungen seiner Musik im In- und Ausland, Sendungen durch diverse Rundfunkanstalten (SDR, SWF, SWR, HR, DLF u. a.) und Teilnahme an verschiedenen Festivals (u. a. NYYD Tallinn, AUT Århus, ECLAT Stuttgart, Europäische Kulturtage Karlsruhe, EXTRAKT Edenkoben, TAGE FÜR NEUE MUSIK Darmstadt, ZEITGENUSS Karlsruhe). Neben abgewandter schreibt er gelegentlich auch angewandte Musik. So entwickelte er in Zusammenarbeit mit dem Ensemble 9. November Frankfurt bisher drei Theatermusikprojekte, die inzwischen rund 60 Aufführungen erlebten inklusive einer Gastspielreise nach Russland. Für eine praktische Ausgabe von Mozarts Konzertarien durch Thomas Seedorf, die 2013/14 in fünf Bänden bei Bärenreiter erschien, schrieb er zahlreiche Ausführungsvorschläge für Kadenzen, Eingänge und Reprisenverzierungen. 2001 erschien die CD „Game And Earnest“ (Konzert für zwei Schachspieler, computergesteuerte Sampler und Synthesizer, vier Live-Musiker und einen Klangregisseur, eine Co-Komposition mit Dietrich Eichmann, Christoph Grund, Reimar Volker und Wolfgang von Stürmer) beim Label OAKSMUS, 2006 in Kooperation mit dem Ensemble „Die Meistersinger“ und Solisten die CD „Encounters With Schumann“ (mit Werken für Männerchor von Robert Schumann und komponierten Kommentaren von Uwe Kremp und Mark A. Möbius) beim Label AUDITE. 2012 wurde im Rahmen eines Kinderkonzerts in Zusammenarbeit mit der Philharmonie Baden-Baden seine Komposition „Der Froschkönig. Eine musikalische Märchenerzählung nach einem Text der Brüder Grimm“ für Sprecher, Chor, Kinderchor und Orchester uraufgeführt. 2014 fand im Rahmen des Festivals ZEITGENUSS in Karlsruhe ein Porträtkonzert mit einigen kammermusikalischen Werken statt, 2015 hatte in Trossingen das Projekt MEHRERE MÄNNER Premiere („szenisches Konzert“ nach Texten von Ror Wolf in einer Inszenierung von Dierk Zaiser für einen Sprecher, fünf Darsteller und Gitarrenquartett), bei dem Kremp als Komponist, Dramaturg und Sprecher beteiligt war.
Das Saxophonquartett Quattro Quarti wurde von Studenten der Estnischen Akademie für Musik und Theater aus dem Wunsch heraus gegründet, verschiedene Repertoires von klassischer bis zu zeitgenössischer Saxophonmusik zu spielen. Ihr erster großer Auftritt war 2002 in Brüssel mit dem Quartett „La Nuit“ von Helena Tulve. Alle Mitglieder des Quartetts sind Absolventen der estnischen Musik- und Theaterakademie und haben ihre Fähigkeiten unter der Anleitung herausragender Professoren in Europa perfektioniert. Nach einer mehrjährigen Pause kam das Quartett im Frühjahr 2015 für sein erstes Konzert wieder zusammen und trat mit Vlady Bystrov beim Festival of Unusual Music in Azeri auf. In den Jahren 2016 und 2018 hatte das Quartett das Privileg, mit dem Moscow State Academic Chamber Choir und Vladimir Minin in St. Petersburg und Tallinn aufzutreten. Im Sommer 2017 spielten sie das Eröffnungskonzert des Festivals Musika Astea in Bermeo, Spanien, mit dem Saxophonisten Vlady Bystrov. Quattro Quarti hat sich auf neue Musik und historische Musik spezialisiert. Vor kurzem haben sie Stücke für gemischten Chor und Saxophonquartett von Kristo Matson und ein Quintett von Eino Tamberg uraufgeführt. Eve Neumann, Jandra Puusepp, Valdur Neumann und Liis Mäevälja sind Mitglieder des Estnischen Saxophonverbands und des Verbands der estnischen Berufsmusiker.
Kristjan Tamm und Roman Hernitscheck absolvierten den Master-Studiengang bei Prof. Boris Bagger an der Hochschule für Musik Karlsruhe und sind seit 2011 als Duo vor allem im süddeutschen Raum unterwegs. Sie kombinieren mit Vorliebe klassisches Repertoire mit Stücken aus dem Jazz- und Popbereich, ihre Konzertgitarren ergänzen sie deshalb durch Bass-, Oktav- und E-Gitarren, um Gattungsgrenzen so leichter zu durchbrechen. Neben ihrer umfangreichen solistischen und kammermusikalischen Konzerttätigkeit sind beide als Gitarrenlehrer auch pädagogisch tätig.
Ror Wolf, geboren 1932 in Saalfeld in Thüringen, lebte und arbeitete nach über 30 Umzügen schließlich in Mainz, wo er 2020 im Alter von 87 Jahren verstarb. Er erhielt zahlreiche Preise für sein literarisches Werk (Lyrik, Prosa und Hörspiele). Außerdem war er auch als bildender Künstler tätig und schuf tausende von surrealistischen Bild-Collagen. Wolf war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt und der Bayerischen Akademie der schönen Künste, München, seit 2005 überdies Ehrenspielführer der (Fußball-)Autorennationalmannschaft Autonama. Sein Debütroman Fortsetzung des Berichts erschien 1964 bei Suhrkamp, das Buch Mehrere Männer. Zweiundachtzig ziemlich kurze Geschichten, zwölf Collagen und eine längere Reise erstmals 1987 in Darmstadt bei Luchterhand. Die Gesamtausgabe seine Werke wird von der Verlagsbuchhandlung Schöffling & Co. in Frankfurt betreut.
Wir bedanken uns für die wunderbare Zusammenarbeit mit dem SIMONETTI HAUS!
Die Konzertreihe „Neue Musik im Fläming 2023“ wird gefördert vom Land Sachsen-Anhalt, von LOTTO Sachsen-Anhalt und von den Stadtwerken Wittenberg!